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Unter dieser Rubrik finden Sie wissenswertes zu verschiedenen Themen anhand von "Stichworten"


1. "Normalität"
2. "Selbstwert / Selbstbeziehungen
3. "



Stichworte: 1. "Normalität"

Unser Erleben von "Normalität" oder: Was ist "normal" ?                                
(Auch im Hinblick auf Mutter und Tochter/Kind....?)
In unserem Alltag gibt es viele Handlungen, Erfahrungen und Abläufe, die wir für normal und selbstverständlich halten. Wir sagen, "Das ist doch normal" und damit erklärt sich die Sache scheinbar von selbst. Für einige Leute ist es „normal“, sich direkt nach dem Aufstehen die Zähne zu putzen. Andere tun dies erst nach dem Frühstück und behaupten, so sei es „normal“.
Ist das "Normale" immer das Gute und Richtige? Wird es nicht oft verwechselt mit „das Übliche“, das eben, was die meisten Leute tun? Bedeutet "unnormal" gleichzeitig falsch, schlecht oder krank?
Ein Beispiel: In vielen südlichen Ländern ist es üblich, die Schuhe vor der Haustür auszuziehen, um die Teppiche im Haus nicht zu beschmutzen. 
Dieses Verhalten ist dort "normal". In Deutschland ist die Aufforderung an Gäste, die Schuhe bitte vor der Tür zu lassen, nicht "normal"! Ich habe es ausprobiert - ich erntete irritierte und verärgerte Blicke. Hier finden Gäste es meistens "normal", mit ihren Straßenschuhen über die Teppiche im Wohnzimmer zu gehen, selbst auf die Gefahr hin, dort Straßendreck und Hundekot zu verteilen..... Im Gespräch und Nachdenken über die Vor- und Nachteile des Umgangs mit dieser Sache, finden viele deutsche Leute das Ausziehen der Schuhe „prinzipiell eigentlich besser" - aber sie machen es darum zu Hause dennoch nicht anders als bisher - aus "Gewohnheit" und "um niemanden vor den Kopf zu stoßen".
Wir könnten solche Beispiele fortführen und würden erkennen: 
Was "Normalität" ist in einer Kultur, das entscheidet nicht unbedingt der gesunde Menschenverstand, sondern Verhaltens- und Denkweisen werden zur "Norm" gemacht
Warum und wie das genau geschieht, kann an dieser Stelle nicht ausführlich untersucht werden, klar ist, es hängt mit menschlichen Bedürfnissen und Ansprüchen zusammen. 
Beteiligt sind Erfahrungen, Gewohnheiten, religiöse Regeln, Wissen und Unwissenheit, Tradition, Ängste und - Gewalt. 
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, sich stets anzuschauen, wer entscheidet über „Normalität“ in einer Gruppe, einer Familie, in einer Kultur ? Wer macht die Regeln und hat damit die „Definitionsmacht“? 
Und vor allem: zu welchem Zweck, zu wessen Vorteil, wessen Bedürfnissen dient die jeweilige „Normalität“?
Wir denken und tun viele "normale" Dinge, die bei näherer Betrachtung unsinnig, nachteilig, krank machend und zerstörerisch sind. Und oft wissen wir gar nicht (mehr), warum wir uns so verhalten.
Oft fehlen uns Ideen, Alternativen und Vergleiche, um unsere gewohnte Normalität überhaupt in Frage zu stellen. Der Blick über den Tellerrand zu anderen Kulturen und Zeiten kann da sehr interessant und bereichernd sein:
Singen in der Fußgängerzone? In Deutschland ein Grund, von Passanten prüfend beobachtet zu werden, ob man/frau nicht "'ne Macke" hat und in die Psychiatrie gebracht werden sollte - in Italien hingegen eher "normal"....
Nahrungsmittel voller Zucker, täglich Süßspeisen oder Kuchen essen? 
In Europa "normal", in afrikanischen Ländern oft mit Unverständnis betrachtet; manche Afrikaner sagen: "Kuchen und Süßigkeiten sind Essen 
für die Weißen - darum sind die auch so schwach..."
Als Frau ohne Schleier aus dem Haus gehen ? In Deutschland "normal", in streng islamischen Ländern für Frauen ein Grund, von der eigenen Familie misshandelt zu werden..... 
An heißen Sommertagen mit nacktem Oberkörper aus dem Haus zu gehen – in Europa undenkbar für eine Frau – die Polizei würde eingreifen! - in manchen ländlichen afrikanischen Kulturen kein Problem, sondern „normal“.
Sich weigern, mit Freunden einen Gewaltfilm anzusehen - welche/r Jugendliche in Deutschland getraut sich, so "unnormal" zu sein, mit der Begründung "es tut mir nicht gut"? 
In einer Zeit, in der Gewalt und Obszönität in den Medien "normal" sind ?
Tiere in winzigen Käfigen halten, sie ein Leben lang quälen und sie dann genüsslich als Delikatesse zu verspeisen - "normal" für viele von uns Menschen - aber ist es auch "gesund" für uns und ist es moralisch gesehen "gut" ?
Alle großen monotheistischen Religionen (ich nenne sie „Vaterreligionen“) lehren und beschreiben als „normal“, dass die Frau lediglich als Helferin des eigentlichen Menschen (=Mann) anzusehen sei. 
Der Mann sei der Anführer, der Erste und der "normale Mensch" - die Frau "das andere Geschlecht", die Zweite, seine Variante.
Die biologischen Tatsachen zeigen uns jedoch eindeutig, dass es sich genau umgekehrt verhält - doch ist es "normal" und erlaubt, dies in unserer Kultur auch so wahrzunehmen und auszusprechen?
Es braucht also viel innere und äußere Freiheit im Denken, Fühlen und Handeln, um sich bei Bedarf von der üblichen "Normalität" zu lösen, 
anders zu denken, zu fühlen und zu handeln als es üblich und gewohnt ist/war.  Und sich dabei vielleicht wieder mehr auf die eigenen Sinne, den Instinkt, die Wahrnehmung, die Intuition zu verlassen?
In unserem „demokratischen System“ haben wir zwar offiziell viele Freiheiten - und dennoch verhalten sich die meisten Menschen ängstlich bedacht darauf, sich anzupassen und sich der Norm entsprechend zu verhalten – „normal“ im Sinne der eigenen Kultur und im Sinne der aktuellen Mode innerhalb dieser Kultur. 

Wohlgemerkt: das „Normale“ kann dabei auch sein, sich Menschen verachtende Sendungen wie „Das Dschungelcamp“ anzuschauen – die Norm ist nicht immer „gut“ oder „human“ in einer Gesellschaft, in der die Toleranz gegenüber Gewaltdarstellungen riesengroß ist......
Ein weiteres Beispiel : Kleine Babys schon kurz nach der Geburt mit ihrem Bettchen zum Schlafen in ein stilles, menschenleeres Zimmer zu schieben, galt bei uns lange Zeit als "normal". 
Mit der Begründung, das Baby „brauche seine Ruhe“. 
Bei Kulturen, die mehr am natürlichen Mutter-Kind-Kontakt orientiert sind, löst dieses Verhalten ungläubiges Kopfschütteln aus. Denn das Bewusstsein darüber, dass ein Baby stets Körperkontakt und Nähe zur Mutter benötigt, gehört dort noch zum allgemeinen Wissen über soziale Beziehungen und menschliche Bedürfnisse. 
Bis heute stehen u.a. in matriarchalen (=mütterzentrierten) Gesellschaften die Bedürfnisse des Kindes im Vordergrund. Dort ist das Auslagern von Säuglingen und Kleinkindern aus dem mütterlichen Bett oder Ehebett unbekannt. 

Während in patriarchalen Kulturen, also Kulturen, in denen die Bedürfnisse und Ansprüche von Männern im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stehen, die „Disziplinierung“ von Babys u.a. damit zusammen hängt, dass der erwachsene Ehemann und Vater den Körper der Frau/Mutter möglichst bald wieder ganz für sich beanspruchen will. 

Bis heute ist dies ein häufiger ehelicher Streitpunkt....
Ich zitiere Dr. Christa Mulack, die einmal zynisch schrieb: „Der Mann weiß, was richtig ist – denn er kennt seine Bedürfnisse...“. 
Nur langsam kamen auch wir im traditionell patriarchalen Deutschland wieder dahinter, dass die frühe Isolation unserer Säuglinge dem Kind selbst und oft auch der Mutter eher schadet als nützt.... 

Meine Erfahrungen mit depressiven Menschen lassen mich vermuten, dass viele von uns – z.B. durch die frühe mutterlose Säuglingsbetreuung in der Ex-DDR - ihre Gefühle von tiefer Einsamkeit, getrennt-sein und Resignation u.a. durch derartige, in unserer Gesellschaft „normale“ Erlebnisse der Hilflosigkeit in frühkindlicher Isolation erworben haben!
Zusammenfassung:
Beim Stichwort "Normalität" lohnt es sich kritisch nachzufragen, nachzudenken und nachzuspüren, ob eine "normale" oder "gewohnte" Sache oder Handlung für mich, als Frau, als Mutter, als Leibwesen mit Körper, Seele und Geist, bzw. für mein Kind, tatsächlich "gut", "richtig", "hilfreich", "nährend" oder sogar "heilsam" erscheint!?
Und ist dies nicht der Fall – sollten wir uns von dieser unguten "Normalität" distanzieren und mutig nach eigenem Denken und Empfinden handeln.
All rights reserved by Anna Bach 2018




Stichwort 2:    Selbstwert / Selbstbeziehungen
An vielen Stellen in diesem Buch/meinem Blog verweise ich auf „Selbstbeziehungen“. Was ist mit diesem Begriff gemeint ?
Ich verstehe unter Selbstbeziehung all das, was ein Mensch über sich selbst denkt oder in Bezug auf die eigene Person fühlt. Und ihre oder seine Möglichkeiten, gut und fürsorglich für sich selbst zu sorgen. Also, „die Beziehung, die ich zu mir selbst habe“.
Eine Frau kann denken, sie sei klug, stark und schön oder sie kann vom Gegenteil überzeugt sein. Ein Mädchen kann, wenn sie über sich nachdenkt, traurig, wütend oder froh werden.
Als Reaktion auf diese Gedanken kann ein Mensch sich selbst ablehnen, beschimpfen und abwerten, vernachlässigen oder freundlich mit sich sein, sich trösten oder zufrieden sein – je nachdem.
Woran genau erkenne ich meine eigenen Selbstbeziehungen ?
1. Nehmen Sie sich etwas Zeit, genau hinzuhören, was ihre „inneren Stimmen“ über Sie selbst erzählen. Was fällt Ihnen als Erstes ein? Und danach?
2. Hören Sie mal genauer hin, wie Sie sich anderen Leuten gegenüber darstellen – sagen Sie in der Regel etwas Gutes über sich selbst oder machen Sie eher einen Scherz oder eine abwertende Bemerkung?
3. Achten Sie darauf, welche Empfindungen ausgelöst werden, wenn sie an sich denken – werden Sie angespannt, traurig, missmutig oder fühlen Sie sich beschwingt, froh und kraftvoll beim Gedanken an Ihre eigene Person?
Ein sehr direkter Weg, sich über die eigenen Selbstbeziehungen klarer zu werden, ist es, mal eine halbe Minute lang bewusst in den Spiegel zu schauen.                                              Eine halbe Minute reicht völlig!                                                                                                Leider erlebt dabei die Mehrzahl (!) aller Frauen in unserer Kultur, dass sie nicht nett und freundlich mit sich umgehen, sondern eher streng und abwertend, teilweise verzweifelt und hasserfüllt.... 
Ist das nicht traurig und erschreckend? 
(Ich halte nichts von dem zynischen Vorschlag verschiedener Autoren, Frauen sollten einfach länger in den Spiegel schauen und sich dabei immer wieder sagen:“Ich bin toll. Ich bin schön, etc.“, und dann würde schon alles wieder gut. Es braucht andere Wege, um die tiefen Verletzungen in Frauenseelen zu heilen!)
Frage: Wie entstehen gute oder schlechte Selbstbeziehungen konkret?
Zunächst entstehen Selbstbeziehungen in der Mutter-Kind-Beziehung, dann im familiären Umfeld und kurz darauf durch das weitere soziale Umfeld. Dazu gehören heute schon sehr früh auch die Medien (Fernsehen, Internet etc.), die durch ihre Botschaften die Selbstbeziehungen von Kindern beeinflussen.
Zu all diesen Punkten lesen Sie bitte Einzelheiten in den Artikeln dieses Blogs!

Bedenken Sie: Die tieferen, gesellschaftlichen Ursachen für negatives Selbstwertgefühl bei Frauen liegen eindeutig in der patriarchalen Unterdrückung, Ausbeutung und Abwertung von Frauen (und dem Leben, der Natur, der Erde) seit mehreren Jahrtausenden! 
Selbsthass und gar Masochismus sind NICHT etwa weibliche Natur, sondern Ausdruck einer zerstörerischen Kultur. Für unser "Leiden am Selbst" sind nicht die „schlechten Mütter“ verantwortlich, sondern eine gewalttätige Unkultur von dominanten Vorvätern.         Mehr zum geschichtlichen Hintergrund unter "Kulturgeschichte".

Frage: Wie kann ich meine Selbstbeziehungen verbessern ?
Die eigenen Selbstbeziehungen zu verbessern ist meiner Ansicht eine der wichtigsten Aufgaben heutiger Frauen! Sie ist die Basis für unser weiteres, sinnvolles Handeln im sozialen und politischen Bereich!
Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihre Selbstbeziehungen nicht optimal sind, würde ich zunächst drei Schritte empfehlen:
  1. Verstehen, dass meine Selbstbeziehungen durch meine Kindheit und durch diese Gesellschaft hergestellt wurden. D.h. mein Denken und Fühlen in Bezug auf meine Person ist nicht objektiv, sondern geprägt von – oft negativen – Beschreibungen und Bewertungen von außen.                                                                                              Wissen, dass wir in einer Gesellschaft leben, die seit vielen Jahrhunderten die Selbstbeziehungen von Frauen angreift und schädigt – in verschiedenster Weise. Wissen, dass viele Frauen in der Folge dieser gesellschaftlichen Abwertung mittlerweile sich selbst abwerten und ablehnen – und wenn sie das tun, sind sie für Andere leichter zu beherrschen, zu kontrollieren und auszubeuten.                            (Die Abwertung, die zunächst von außen kam, wird immer mehr nach innen gelenkt – das ist ganz im Sinne des herrschenden Systems – denn Menschen/Frauen, die sich „selbst runter machen“ sind gute, bequeme, harmlose  Opfer....)
  1. Wütend werden! Wütend werden? Warum das? Ich weiß, dass Frauen und Mädchen, wenn sie erst verstehen, was unsere Kultur Frauen angetan hat und warum Frauen weltweit so unsinnig viel leiden, wütend werden.                             Und diese Wut ist berechtigt, gut und gesund - ja sogar heilsam!                                Doch wichtig: Sie sollte nach außen getragen werden – nicht mehr nach innen geschluckt oder gegen sich selbst gerichtet!                                                                "Nach außen tragen" bedeutet, in irgendeiner Form aktiv oder kreativ zu werden, weinen, trauern, schimpfen, miteinander reden (!), Gedichte oder Texte schreiben, malen, singen, tanzen, sich politisch oder sozial engagieren, mit anderen Frauen/Mädchen austauschen darüber usw. (siehe auch  Stichwort Aggression!!)
  2. Sich selbst eine gute Mutter/beste Freundin werden!
Um zu lernen, wie ich mit mir selbst freundlicher und liebevoller umgehen kann brauche ich mindestens eine Idee davon, wie ein liebevoller Umgang mit sich - und anderen - überhaupt geht! Für viele Frauen ist es hilfreich, sich vorzustellen, dass Sie sich in Zukunft so behandeln wollen, wie ihre beste Freundin oder wie ihre eigene Tochter – sich selbst also ein beste Freundin oder eine gute Mutter zu sein/ zu werden!
4. Üben! Ja, genau – gute Selbstbeziehungen können wir üben, uns angewöhnen und erlernen! Gerade bei tieferen Verletzungen („Selbsthass“) braucht dies Zeit, Geduld, regelmäßige Übung, möglichst freundschaftliche oder familiäre Unterstützung und oft auch therapeutische Hilfe.
Ich beschreibe konkrete Übungen und Anweisungen demnächst im Kap. „Heilung der Selbstbeziehungen“.




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